Brandanschlag Salzhemmendorf II

Prozessprotokoll Salzhemmendorf (SHD) II
Landgericht Hannover
4. Verhandlungstag
26.02.16

Vor dem Gericht: eine Gruppe von Männern steht an, es scheint nicht weiter zu gehen. Einer sagt: „Ein weiterer Revisionsgrund: Ausschluss der Öffentlichkeit“

Ankunft im Gerichtssaal: ca. 9:04
Journalist*innen filmen
Der Zuschauerbereich ist weniger voll als am ersten Verhandlungstag, aber wieder gut besucht. Wieder sind viele „Unterstützer*innen“ aus SHD angereist.

Beginn der Verhandlung: 9:11

Anwesende:

  • Vorsitzender Richter (R), zwei beisitzende Richter*innen (R 2 und R 3) und zwei Schöff*innen
  • Staatsanwaltschaft (Staatsanwältin, StA 1, Staatsanwalt, StA 2)
  • Angeklagte:
    • Dennis L. (DL)
    • Sascha D. (SD)
    • Saskia B. (SB)
  • Verteidiger*innen von Dennis L. (V DL 1, V DL 2 und Referendarin)
  • Verteidiger von Sascha D. (V SD)
  • Verteidiger von Saskia B. (V SB)
  • 7 Vertreter*innen der Nebenkläger*innen (nummeriert in der Reihenfolge des Auftretens)
  • Ein psychiatrischer Gutachter
  • Zeug*innen:
    • Polizeibeamter aus Hameln, 58 Jahre, Z 1
    • Polizeibeamter aus Hameln, 53 Jahre, Z 2
    • S, Industriekauffrau, 21 Jahre, Freundin des Bruders von DL, Z 3
    • K, Verkäuferin, 23 Jahre, Exfreundin von SD, Z 4 (mit Freundin erschienen)
    • H, Hausfrau, 21 Jahre, Schwester von SD, Z 5
  • [Protokollantin, Justizbeamte]

Verlauf der Verhandlung

Der Verteidiger von Dennis L. (V DL 1) stellt mehrere Anträge. Er beantragt, ein Anschreiben des NDR an seinen Mandanten sowie dessen Antwortschreiben (unterschrieben am 30.10.15) zu verlesen. Dies solle zeigen, dass der Vorwurf des Tötungsvorsatzes sich nicht halten lasse, auch werde sich zeigen, dass DL sich nicht als Nazi sieht, dass er sich von der Tat distanziert.
V DL 1 beantragt zudem, die Akten XY der StA Hannover beizuziehen. Dies werde ergeben, dass die Anklage zu Beginn auf versuchte schwere Brandstiftung lautete, dass also zunächst durch die StA keine Tötungsabsicht angenommen worden sei.
Schließlich wird auch die Beiziehung der Akten YZ des AG Hameln beantragt [Erläuterung zum Fall siehe unten]. Im Verfahren YZ seien die Täter wegen Brandstiftung zu Bewährungsstrafen verurteilt worden, obwohl es „lichterloh“ gebrannt habe. Weiterhin sei das Zimmer, in dem der Brand gelegt wurde, verbarrikadiert worden und den Tätern sei bewusst gewesen, dass sich viele Menschen im Gebäude befanden. Vier Sicherheitsleute seien durch das Feuer leicht verletzt worden. Der Vergleich mit dem Brandanschlag in SHD zeige, dass die StA mit zweierlei Maßstäben messe.
Zweck des Beweisantrags sei es zu zeigen, dass im hier verhandelten Verfahren das öffentliche Interesse und gegebenenfalls politischer Druck dazu geführt hätten, dass ein Präzedenzfall statuiert werden solle.

Es folgen ausschweifende rechtliche Erörterungen von V DL 1 (zu Vorsatz, bedingtem Vorsatz u. a. Offenbar handelt es sich um eine Reaktion auf einen rechtlichen Hinweis der StA vom 11.02.16) und Stellungnahmen der StA und NK.

Anmerkung: der Vergleich mit dem Verfahren am AG Hameln ist besonders unverschämt, weil es sich nicht um einen rassistischen Brandanschlag handelte, sondern um eine Verzweiflungstat zweier Flüchtlinge, die aufgrund schlimmer Nachrichten von ihren Familien zurück in den Libanon reisen und erreichen wollten, dass ihnen endlich ihre Pässe ausgehändigt werden. Mehr hier (Link zuletzt abgerufen am 07.03.16).

9:39 Uhr Der erste Zeuge (Polizeibeamter aus Hameln, Z 1) kommt in den Zeugenstand. Er hat die Ermittlungen geleitet. In der Befragung des Zeugen geht es im Wesentlichen um folgende Fragen:

  • Zu welchem Zeitpunkt und warum haben Sie welche Personen unter Verdacht genommen? Wie wurden die Ermittler auf die Beteiligung von DL und SB aufmerksam, nachdem SD aufgrund der Hinweise von Herrn P als erster festgenommen wurde: Lag dies maßgeblich an den Hinweisen von SD oder gab es zuvor bereits eine Spur durch SDs Profilfoto bei Facebook, das SD und DL am Tatabend zeigte?
  • Der Zeuge hat Schwierigkeiten, sich an genaue Abläufe zu erinnern: Es habe eine „unheimliche Dynamik“ gegeben, viel sei parallel gelaufen, der Fall habe sich durch eine „unheimliche Dramatik und Brisanz“ ausgezeichnet. Zeitgleich habe auch noch eine Demonstration in SHD stattgefunden, daher seien alle über den schnellen Erfolg bei den Festnahmen überrascht gewesen.
  • Die Belehrung von DL: ihm wurde offenbar nur gesagt, dass ihm schwere Brandstiftung zum Vorwurf gemacht wird; dass er Beschuldigter eines versuchten Tötungsdelikts war, wurde ihm nicht mitgeteilt (hierzu stellt insbesondere V DL 1 mehrere Fragen: er will wissen, wie Z 1 sich diesen Fehler erklärt)

Beobachtung am Rande: Die Richter*innen fahren manchmal auf ihren rollenden Stühlen auf einander zu, wenn sie sich kurz etwas mitteilen wollen. Das scheint ihnen ein bisschen Spaß zu machen.

10:30 Z 1 wird entlassen, Z 2 (Polizeibeamter aus Hameln) kommt in den Zeugenstand. In der Befragung geht es um folgende Themen:

  • Der im Vernehmungsformblatt angegebene Haftgrund: Es soll geklärt werden, warum darin bei DL Brandstiftung (und nicht versuchter Mord) stand, da auf dem Eintrag offenbar die fehlerhafte Belehrung basierte. Z 2 erklärt, dass das Computersystem automatisch die ursprünglich vorgeworfene Tat eintrage. Vorwürfe, die später hinzukämen, würden unter Umständen an dieser Stelle nicht auftauchen.
  • weitere Fragen zu den Festnahmen (DL hat Widerstand geleistet und hatte einen Hund bei sich, der der Mutter übergeben wurde) und zum Ablauf der Ermittlungen
  • V DL 1 will wissen, ob im Ermittlungsstab kommuniziert worden sei, dass DL einen Anwalt wollte und auch seinen Namen genannt habe. Der Zeuge sagt, dies sei nicht besprochen worden.
  • Als sie an der Reihe ist, fragt V DL 2, ob Z 2 die Festnahmeanzeige gefertigt habe. R unterbricht: Sie neigen ja auch dazu, immer schnell zu beanstanden – diese Frage wurde schon gestellt und beantwortet! (V DL 2 wollte noch einmal auf den Grund für den Fehler bei der Belehrung hinaus)
  • V SD fragt, wann sich der Tatverdacht gegen DL verdichtet habe, ob es da einen entscheidenden Moment gegeben habe: Würden Sie sagen, dass die Aussagen von meinem Mandanten den Ermittlungen zum Durchbruch verholfen haben? Z 2 antwortet: die Aussage sei „durchaus förderlich“ gewesen.

11:20 Z 2 wird entlassen, es wird eine fünfzehnminütige Pause angekündigt.

11:45 Es wird fortgesetzt, Z 3, die Freundin des Bruders von DL (M.), kommt in den Zeugenstand. Sie soll sich am Abend vor der Tat ebenfalls in der Garage aufgehalten haben. Da Z 3 ohne Zeugenbeistand erschienen ist, wird sie ausführlich darüber belehrt, dass sie sich nicht selbst belasten müsse.

Zu ihrem Kontakt mit den drei Angeklagten an diesem Abend macht Z 3 folgende Angaben: Sie sei in einem REWE-Markt gewesen, als sie von DL eine SMS/Whatsapp-Nachricht erhalten habe. Er habe gefragt, ob sie eine Flasche „Springer“ mitbringen könne. Sie sei dann zurück in den Supermarkt gegangen, habe die Flasche „Springer“ gekauft und sei zur Garage gefahren (Ankunft ca. 22 Uhr). Sie sei dort etwa 20 Minuten geblieben, habe mit DL und SD über unbedeutende Themen gesprochen (Auto, Arbeit). Saskia B. habe sie erst an diesem Abend kennengelernt.
Der vorsitzende Richter will wissen, ob sie für die Zeitangaben Anhaltspunkte habe (ja, das Fußballspiel des Freundes), ob über weitere Themen gesprochen worden sei (nein), ob möglicherweise über Flüchtlinge oder Ausländer gesprochen worden sei. Hierauf sagt die Zeugin: nein, dann hätte ich definitiv reagiert.
R will wissen, womit „die drei“ sich beschäftigt hätten. Z 3 sagt, sie seien mit Trinken beschäftigt gewesen. Die erste Flasche „Springer“ sei schon leer gewesen, die Jungs hätten sich ihre Getränke gemischt. Auf Nachfrage: DL und SD hätten auf sie angetrunken gewirkt, bei DL könne sie das besser beurteilen, weil sie ihn schon seit vier Jahren kenne und ihn schon öfter betrunken erlebt habe.

Der Staatsanwalt (StA 2) fragt, wie die Stimmung unter den Dreien gewesen sei. Z 3 sagt: sie waren lustig drauf, „haben miteinander erzählt“, „hatten Spaß untereinander“.
Auf die Frage, was sie über die politischen Einstellungen von DL wisse, erklärt Z 3, sie habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm, es habe aber nie Unterhaltungen über politische Themen gegeben.
StA 2 fragt, ob es Pläne für den weiteren Verlauf des Abends gegeben habe. Z 3 verneint dies. DL gehe eigentlich immer zeitig ins Bett, auch wenn er mal unter der Woche trinke. [Auf Nachfrage] Als sie gegangen sei, habe es bei den anderen noch keine Aufbruchsstimmung gegeben.

Befragung durch Vertreter*innen der NK:
NK 1 will wissen, ob die Zeugin Freunde von M. kenne (ja) und nennt einige Namen: Christopher K. (den kenne sie, die Zeugin sagt aber immer Christian statt Christopher, deswegen war mir unklar, ob es ein Missverständnis gab) und Julian F.
Außerdem fragt er, ob sie das Profilbild von M. bei Facebook kenne. Nachdem sie verneint bzw. sagt, darauf habe sie nicht geachtet, zitiert NK 1 daraus: „Brüder sind nie alleine, denn sie tragen immer den anderen im Herzen […]“ Z 3 sagt, sie habe das Profilbild gesehen.
Darüber hinaus fragt NK 1, ob ihr „Der III. Weg“ etwas sage (nein) und ob sie das „Bockshorn“ kenne (nein).

NK 4 kommt auf die frühere Aussage der Zeugin zurück, wenn über Flüchtlinge oder Ausländer gesprochen worden wäre, hätte sie sofort reagiert und fragt: Hätten Sie denn befürchtet, dass etwas passiert, wenn die drei Angeklagten über diese Themen gesprochen hätten? Z 3 erklärt, so habe sie das nicht gemeint. Sie habe Folgendes sagen wollen: Wenn über einen möglichen Anschlag gesprochen worden wäre, hätte sie reagiert.

Es folgen weitere Fragen von NK 3 zur Whatsapp-Gruppe „Garage Hakenkreuz“ und zu den Tattoos von DL (beides kenne Z 3 erst jetzt durch die Medien), zur Musik in der Garage (es sei immer Radio gelaufen), zu ihrem Kontakt zu DL seit der Tat. Z 3 sagt, sie habe DL zweimal mit M. im Gefängnis besucht. Gesprochen hätten sie über seine dortige Arbeit: Er bringe einem ausländischen Mithäftling Deutsch bei, das mache ihm viel Spaß.

weitere Themen: ihr Spitzname (DL habe sie „Schrödi“ genannt), in Augenscheinnahme von Fotos

Themen der Befragung durch Verteidiger*innen:

  • Verhältnis zwischen SD und DL: sehr gut, es habe keine Hierarchie gegeben, keiner habe Angst vor dem anderen gehabt
  • SB: sie habe nicht verängstigt gewirkt, sondern einfach still

12:35 Z 3 wird entlassen, Z 4, die Exfreundin von SD, kommt in den Zeugenstand. Z 4 hat ein gemeinsames Kind mit SD. Sie wird von einer Freundin begleitet (R erklärt, er habe vor einigen Tagen mit Z 4 telefoniert und ihr gestattet, eine Begleitung mitzubringen, weil sie sehr aufgewühlt sei).

In der Befragung geht es vor allem um eine Aussage, die Z 4 bei der Vernehmung durch die Polizei gemacht hat: Sie habe gehört, dass DL mal mit Robert S. [Anmerkung: Robert S. scheint ein ortsbekannter Neonazi zu sein] darüber gesprochen habe, „was zu bauen und irgendwo rein zuwerfen“. [Anmerkung: Offenbar wurde ihr zunächst in der Vernehmung vorgehalten, SD habe mal darüber gesprochen, „was zu bauen und irgendwo rein zuwerfen“. Sie habe dann richtig gestellt, das sei DL gewesen.]
R fragt, ob Z 4 sich an die Umstände dieser mutmaßlichen Aussage von DL erinnern könne: Wer ihr das gesagt habe, ob es sein könne, dass Robert S. ihr das gesagt habe. Z 4 sagt, sie wisse es nicht mehr, es sei nach dem Anschlag gewesen. R reagiert mit Unverständnis: Ihre Vernehmung war doch montags, also drei Tage nach dem Anschlag. Da hat man doch nicht so viele Kontakte! Z 4 antwortet [klingt patzig], sie würde ja auch mit ihrem Kind spazieren gehen. Sie wisse es wirklich nicht, nach der Tat und der Festnahme von SD sei sie mit den Nerven am Ende gewesen. Z 4 weint.

Befragung durch Vertreter*innen der NK:
Z 4 sagt, sie habe DL gekannt, habe aber nichts über seine politischen Einstellungen gewusst. SB habe sie vom Sehen gekannt. Sie wisse, dass SD und SB mal zusammen gewesen seien, aber sie sei der Meinung gewesen, dass SB „kein Umgang“ für SD sei. Gründe könne sie nicht nennen.
Auf Nachfrage sagt Z 4, sie habe gewusst, dass SD mal den Hitlergruß gezeigt habe. Sie habe das nicht gut gefunden, sie habe ja dann auch zur Kripo gemusst [es klingt, als habe sie vor allem das gestört]. Aber danach habe SD eingesehen, „dass es nicht ok war“.
Auf Nachfrage: In der Wohnung von SD sei ihr nie etwas Besonderes aufgefallen. Auf Nachfrage, ob es in der Wohnung vielleicht eine Fahne gegeben habe, sagt Z 4, es habe wohl eine „altdeutsche Fahne“ gegeben [Anmerkung: gemeint ist eine schwarz-weiß-rote Fahne], die habe sie aber erst beim Aufräumen/Ausräumen gefunden [Anmerkung: mir ist nicht klar, zu welchem Zeitpunkt das war]
NK 2 fragt, was Z 4 über die rechte Szene in SHD wisse. Während Z 4 zurückfragt: welche rechte Szene, beanstandet V SB die Frage. Es entsteht eine kurze Diskussion, R fordert NK 2 auf, die Frage umzuformulieren. NK 2 stellt die Frage anders, die Frage wird wieder beanstandet.

Daraufhin geht R dazwischen und sagt, er werde NK 2 mal mit einem Vorhalt zur Seite springen. R liest eine Whatsapp-Unterhaltung zwischen SD und SB vor, in der es um den gemeinsamen Sohn von SD und der Zeugin geht:
SD: [Name des Sohns] kann ein neues Wort.
SB: Welches?
SD: „Hitler“
SB: [Name des Sohns von SB] kann seit zwei Wochen „Sieg Heil“
SD: Geil
SB: [Name von Z 4] wird sich freuen.

R will wissen, wie lange Z 4 und SB sich schon kennen (seit einigen Monaten) und wie sie sich die Aussage von SB erkläre. Z 4 sagt, sie verstehe das als ironischen Kommentar, es bedeute, dass sie nicht begeistert sei.

Nun hält NK 2 vor, Z 4 sei doch mit DL, Robert S. und anderen in einer Whatsapp-Gruppe gewesen, in der ständig „Sieg Heil“, „Hitler“, „Ich bin der neue Hitler“ (Robert S.) geschrieben worden sei. Z 4 sagt, daran könne sie sich nicht erinnern, in solchen Gruppen werde ja ständig etwas geschrieben, das heiße aber nicht, dass sie alles genau lese.

Es werden weitere Fragen zu Musik, Tätowierungen, zum Grund ihrer Trennung von SD (Alkohol) gestellt. Bei einer weiteren Beanstandung erklärt NK 2, es gehe darum aufzuklären, dass die Zeugin politisch rechts stehe, dies werfe ja auch ein anderes Licht auf ihre Aussagen über den politischen Standpunkt anderer.
Zum politisch rechten Standpunkt der Zeugin sagt R: „Ja, den kann man durchaus erahnen.“

12:49 Z 4 wird entlassen. Z 5, die Schwester von SD, kommt in den Zeugenstand, sagt aber, sie mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Die Sitzung wird unterbrochen. Um 13:35 wird fortgesetzt.
Zunächst werden Beweisanträge gestellt.
V DL 1 beantragt, [Name] zu laden. Der „gebürtige Russe“ könne bezeugen, dass er ein gutes Verhältnis zu DL habe, dass dieser sich ihm gegenüber niemals ausländerfeindlich geäußert habe. Allerdings habe [Name] den Kontakt zu SD abgebrochen, weil dieser rechts sei.
Außerdem beantragt V DL 1, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil als Zeugen zu laden. Dieser werde bekunden, dass er auf die StA Hannover eingewirkt habe. Er habe im Fernsehen gesagt, es handele sich bei dem Brandanschlag um versuchten Mord. Es habe sich hierbei um eine „zu beanstandende politische Einflussnahme“ gehandelt.
V SD beantragt, den Oberstaatsanwalt Lukitsch als Zeugen zu laden. Dieser werde bekunden, dass SD maßgeblich – insbesondere hinsichtlich der Beteiligung von DL und SB – zur Aufklärung der Tat beigetragen habe.
Darüber hinaus stellt V SD den Antrag, alle Nebenkläger*innen zu laden, die bisher noch nicht als Zeug*innen erschienen sind. Diese würden bekunden, dass sie durch die Tat keine körperlichen und seelischen Schäden davongetragen haben.

V SB und V DL 2 schließen sich teilweise an.

NK 3 beantragt, die Auswertung der Handy-Nutzung von DL am Tag nach der Tat zu verlesen: durch Besuche auf NDR.de, tagesschau.de und Spiegel Online habe er bereits vor seiner Festnahme über die rechtliche Einordnung (nicht nur Brandstiftung, sondern versuchter Mord) Bescheid gewusst.

Im Folgenden verliest R diverse Vermerke, Handydaten sowie Auszüge aus SMS-Chats (Auswahl):

  • Vermerk zum Fundort der Handschuhe von DL
  • Vermerk zu Handy-Verbindungen zwischen DL und Jan R. sowie Florian R. (nur Zeiten, keine Inhalte)
  • Kommunikation zwischen DL und Jan R: zynische Unterhaltung, in der zahlreiche Smileys verwendet wurden. V DL 1 unterbricht um darauf hinzuweisen, dass das keine lachenden Smileys seien. Das könne man aber nur sehen, wenn man die Abbildung vergrößert.
  • SMS/Whatsapp zwischen DL und SB in der Nacht nach der Tat: DL und SB wünschen sich eine gute Nacht
  • SB: SMS-Chat mit ihrer Mutter am Morgen nach der Tat, die Mutter fragt sinngemäß: was hast du wieder angestellt, nimmt also offenbar an, dass SB etwas mit der Tat zu tun hat. Darauf antwortet SB: „schad ja nix“
  • NK 2 ergänzt, dass bitte ein Auszug aus den Whatsapp-Nachrichten von DL verlesen werden solle (ab S. 40, von insgesamt 87 Seiten). In dem Auszug geht es um eine Unterhaltung vom Morgen des 28.08.15 über die toten Flüchtlinge, die in Österreich in einem LKW gefunden wurden.
    • „Leichensaft“
    • „Wohin jetzt mit dem Gammelfleisch?“
    • inflationärer Gebrauch von Smileys, zwischendurch taucht auch mal das „Android-Männchen“ mit einem Hakenkreuz auf dem Bauch auf
    • „Wo soll ich denn heute eins anzünden? – Spaß. Nicht dass hier gleich die Bullen stehen mit Whatsapp-Überwachung“
  • Gutachten des LKA zu den gefundenen Flaschenüberresten u. a.

Beobachtung am Rande: Ein Journalist in der ersten Reihe scheint immer wieder einzunicken. Der Staatsanwalt massiert sich den Kopf.

Anschließend trägt der psychiatrische Gutachter seine Gutachten zu DL und SD vor.

Bei DL kommt er zu dem Ergebnis, dass Alkohol keine zentrale Rolle in seinem Alltag gespielt habe (kein Grund für Beziehungsende o. Ä.), er könne keinen Alkoholmissbrauch mit Krankheitswert feststellen. Am Tatabend habe bei DL keine deutliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit vorgelegen.
Es folgt eine ausgiebige Befragung und Diskussion, vor allem durch die Verteidiger*innen von DL (V DL 2: Ohne Alkohol hätte mein Mandant die Tat sicherlich nicht begangen)
Um 16 Uhr wird für einige Minuten unterbrochen. Um 16:05 geht es weiter mit dem Gutachten zu SD. Der Gutachter attestiert SD eine „beginnende Alkoholabhängigkeit“ sowie Störungen im sozialen Feld auf verschiedenen Ebenen (Beziehung, Arbeit). Auch aufgrund des Dominanzverhältnisses zwischen DL und SD könne bei SD am Tatabend eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit vorgelegen haben.
Es folgt wieder eine Diskussion, insbesondere scheint V DL unzufrieden darüber zu sein, dass der Gutachter DL und SD so unterschiedlich bewertet hat. V DL 2 sagt: „Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will SD nicht den § 20 abschwätzig machen, aber […]“

StA 2 will wissen, ob sich die Tatsache, dass SD nach der Tat zum Tatort zurückgekehrt ist und beim Löschen geholfen hat, durch Voyeurismus erklären lasse. Der Gutachter verneint dies.

16:58 Der Experte wird entlassen, Ende des Verhandlungstags.